Unglücke kommen selten allein!
Das Wintertraining war so geplant, dass ich bei den Greek Nationals XCM 2023 in Bestform antrete! Ich hatte im Monat vor der Meisterschaft 2 Rennen geplant, von denen eines der Strecke & dem Profil meinem Rennen in Griechenland sehr ähnlich war - also eine perfekte Vorbereitung auf den Wettkampf.
Nun...so verlief das Monat davor für mich: am 27. April erkrankte ich und hatt 15 Tage lang Symptome. Gleichzeitig verspannten sich die Muskeln im linken Rücken und ich hatte große Schmerzen (ich konnte nicht einmal Radfahren, wenn ich wollte). Sobald dieses Problem behoben war, verkrampfte sich die rechte Seite & ich war mit Schmerzen wieder im Haus gefangen. Somit konnte ich kein richtiges Training bis 1 Woche vor dem Rennen absolvieren.
Anstatt das Training zu intensivieren, hatte ich nun an Fitness eingebüßt! Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon die Einstellung, dass ich die Reise vielleicht gar nicht antreten sollte. Am Wochenende vor dem Rennen schaffte ich es, 2 intensivere Trainingseinheiten durchzuführen und traf die endgültige Entscheidung, am Wettkampf in Griechenland teilzunehmen.
Springen wir zum Start:
Wir haben den 28. Mai, 10 Uhr morgens in dem Dorf Petrilo bei 10 Grad Celsius auf 1200 Meter Seehöhe - das kühlt uns ab.
Die Aufregung steigt vor dem Start und mein Herzschlag liegt jetzt bei 100-110 Schlägen pro Minute (normalerweise habe ich am Start etwas 80-90 Schläge pro Minute); ich bin offensichtlich gestresst. Ich will das Rennen unbedingt gewinnen, habe aber keine Ahnung, was ich von meiner Leistung erwarten kann...
Los geht´s!
Es geht direkt in einen Anstieg und diesen zu bewältigen sollte circa 30 Minuten dauern (abhängig von der Leistung natürlich ;))!
Ich klemme mich ans Hinterrad eines Fahrers und beobachte, was die Absichten der Gruppe sind. Der Anstieg hat einige flache Abschnitte auf den ersten 300 Metern und wird dann steiler. Ich bin jetzt im Wettkampfmodus und möchte meine eigenes Tempo fahren. Ich gehe an die Spitze und lege ein höheres Tempo als der Rest vor - aber eines, das ich lange Zeit durchhalten kann. Auf den flacheren Abschnitten des Anstiegs schalte ich in höhere Gänge und halte das gleiche Tempo. An den steilen Stellen gebe ich etwas mehr Gas und versuche, dort eine kleine Lücke zu schaffen.Eine kleine Lücke, die ich schnell aufgetan habe, wird wieder geschlossen und ein anderer Fahrer versucht, ein stärkeres Tempo vorzulegen. An dieser Stelle kommt ein steilerer Abschnitt und ich trete noch mehr in die Pedale. Dort erarbeite ich mir etwas Abstand und bleibe am Drücker.Gelegentlich kann ich ene kleine Gruppe von Fahrern hinter mir sehen, die versuchen mich einzuholen. Ich kann kaum glauben, dass mir das gelungen ist...ds Ausdauertraining, das ich im Winter absolviert habe, soll mir helfen dieses Tempo beizubehalten - und vielleicht habe ich dann eine Chance.
Ich fange an die Elite-Fahrer, die 3 Minuten vor uns gestartet sind, einzuholen. Das motiviert mich, das Tempo hoch zu halten und einen möglichst großen Vorsprung auf die Verfolgergruppe herauszufahren. Auf den letzten 100 Metern des Anstiegs kann ich die Verfolgergruppe nicht mehr hinter mir sehen - das ist ein gutes Gefühl!
Ich erreiche den Gipfel und bin jetzt in einem Abschnitt mit schnellen 20-80m Anstiegen und kurzen Abfahrten. An diesem Punkt, vor einer langen Abfahrt, entscheide ich mich nach meiner Flasche zu greifen und etwas Kohlenhydrate zu mir zu nehmen. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, das das nicht der richtige Ort dafür ist, weil ich mit hoher Geschwindigkeit unterwegs bin und das Gelände vor mir nicht optimal scheint. Ich dachte, es geht sich aus - mein Fehler:
Ich schnappe meine Flasche, trinke und halte den Lenker mit der linken Hand fest, als mein Vorderrad gegen einen Stein kracht. Der Stein fliegt nach links weg und meinen Lenker verschlägt es. Ich kann nicht mehr korrigieren und steige unsanft über den Lenker ab - ich lande mit meinem linken Ellbogen hart im Kies (wahrscheinlich machte ich einen Purzelbaum - ich kann mich nicht mehr erinnern...)!
A U A - was für eine dumme Art zu stürzen, nicht mal ein technisch anspruchsvoller Teil - denke ich mir.
Es tut richtig weh! Ich habe Wunden an beiden Ellbogen, dem linken Knie und dem linken Becken. UNd jede Bewegung schmerzt. Ich überprüfe in Eile mein Fahrrad; es scheint alles in Ordnung zu sein. Dann überprüfe ich mich selbst - die linke Hand ist in schlechtem Zustand: Eine Beule in der Größe eines Golfballs direkt neben einer offenen Wunde. Ich fürchte, das sieht aus wie ein gebrochener Knochen - verdammt! "Ist es das Ende meines Rennens, nur 40 Minuten nach dem Start?" denke ich mir.
Nun, das Rad ist in Ordnung,also wenn die Hand nicht gebrochen ist, ziehe ich das Rennen bis zum Ende durch. Es gibt keinen Grund anzuhalten. Ich drücke leicht auf den Knochen direkt neben der Wunde mit meiner rechten Hand - kein Schmerz! Ich mache eine Faust - kein Schmerz! Der Knochen scheint nicht gebrochen zu sein, also springe ich auf mein Fahrrad und fahre weiter.
Die Wunde ist zwar tief, Blut läuft den ganzen Arm runter und es tut weh, aber es wird irgendwann trocknen.
Die Motivation nach dem Sturz ist etwas im Keller, trotzdem habe ich eine gute Abfahrt. am Ende des Downhills erwartet mich eine Flasche mit kohlenhydratreichem Getränk.
Die zweite und dritte Runde...
...des Rennens verlaufen reibungslos (das muss auch, da ich schon einen blutigen Ellbogen und Schmerzen habe) - bis auf die erwartete Erschöpfung nach 2-3 Stunden im Renntempo. Auf der letzten Runde angekommen, bin ich natürlich glücklich, es so weit geschafft zu haben. Nach einem Monat ohne Radfahren & einem schweren Sturz habe ich jetzt das bestmögliche Ergebnis vor Augen: ich sehe die Ziellinie näher kommen!
Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus und Wärme erfüllt mein Herz. Alle erbrachten Opfer haben sich gelohnt und die Zeit zum Feiern ist endlich gekommen. Nach Überquerung der Ziellinie kommt ein besonderer Gedanke auf: dieses Ergebnis macht auch die Menschen glücklich und stolz, die mich auf die ein oder andere Weise unterstütz haben & das macht meinen Sieg noch spezieller!
Es ist nicht nur eine persönliche Leistung!
Dieser Erfolg gehört nicht nur mir allein - ja, ich war derjenige, der die Ziellinie überquert und das Training absolviert hat, aber es gibt viele Menschen hinter diesem Ergebnis, deren Beitrag den Tital überhaupt erst möglich gemacht haben:
Die bedingungslose Geduld meiner Familie - meiner Frau und unseres kleinen Schatzes Achilleas (dessen Schlafrythmus mich zu den merkwürdigsten Zeiten trainieren ließ ;) & dessen Liebe genug war, um mich zu entspannen und erholen).
Mein Trainer und Freund Manfred Zoeger, mit durchdachter Trainingsplanung und endlosen Telefonaten (um sich meine Rückschläge anzuhören und jede meiner Entscheidungen zu unterstützen!).
DIe Unterstützung von Nora Pure Sports und Oliver Mader, die sicherstellten, dass ich das bestmögliche Rennmaterial hatte. Alle KollegInnen vom Nora Racing Team, mit denen ich die besten Teamausfahrten und Rennen habe!
Valentin Syre bei TopPhysio, dessen physiotherapeutische Betreuung auf individuellen Bedürfnissen basiert und mir geholfen hat - nicht nur die Last-Minute-Verletzungen -, die Rückenprobleme seit 2022 zu bezwingen.
Herr Tasos und Herr Hercules vom West Coast Cycling Team, die mich in der Verpflegungszone während des Rennens unterstützt haben.
Die Familie Chontzia, die mich in ihrem Haus im Dorf, in dem das Rennen stattfand, beherbergt hat. Es war besonders schön sie kennengelernt zu haben.
Last, but not least ;) : Vielen Dank dem Organisationskomitee des Rennens (Hellenic Cycling Federation), allen Zusehern & natürlich auch allen Fahrern!
Bericht & Bilder: Orestis Andriotis